Artikel in der ÖBV-Zeitung
Land-frei-kaufen – Kollektives Landwirtschaften absichern
Landfreikaufen. Land-frei-kaufen. Bitte was? Welches Land? Helgoland? Das schöne Land Tirol? Oder Schlaraffenland? Na das wäre schön. Wäre doch eine ideale Basis für ein gutes Leben. Zumindest über die Nahrungsmittelproduktion bräuchten wir uns keine Gedanken zu machen. Und frei? Frei von was? Von Pestiziden und Fungiziden? Frei von der kapitalistischen Verwertungslogik, von Immobilienspekulationen, vom Wachsen oder Weichen? Und warum schon wieder kaufen? Warum nicht schenken oder sogar besetzen? Aber alles mal der Reihe nach.
Wie alles begann bzw. um was es eigentlich geht?
Im September 2010 trafen sich an die 50 Menschen zum Hofkollektivetreffen am Wieserhoisl in Deutschlandsberg. Während vier Tagen wurde viel diskutiert und neue Ideen gesponnen. Eine der Initiativen die dort ihren Ursprung hat, ist „Cosy“¹.
Während der letzten 2 Jahre entwickelte sich das „Cosy“-Konzept sowie die Gruppen, die sich an der Entwicklung eines Landfreikauf-Tools beteiligten, langsam aber stetig. Nun stehen wir an einem Punkt an dem es an die Umsetzung gehen muss. Die Vereinsstatuten sind so gut wie druckreif – das Konstrukt fertig gezimmert, was aber nicht bedeutet, dass der Prozess ein für alle mal abgeschlossen ist. Im Gegenteil: wir sind offen dafür, es stetig weiterzuentwickeln und immer wieder neu zu diskutieren – und stehen vor allem davor, das bisher Ausgedachte in der Praxis (er)lebbar zu machen.
Entgegen Landlosigkeit und Repression
Der Ruf nach Land wurde in den letzten Jahren auch innerhalb Europas immer lauter. Ob Landarbeiter_innen oder junge Stadtbewohner_innen. Der Wunsch und die Notwendigkeit das Recht zu haben Land zu bewirtschaften werden immer drängender. Höchste Zeit verschiedene Strategien zu entwickeln und auszuprobieren – auch in Mitteleuropa. Im April 2012 wurde bereits eine Strategie ausprobiert – nämlich braches Land zu besetzen um es zu bewirtschaften. Dabei entstand die Initiative SoliLa! Dieser Versuch wurde brutal und gewalttätig vom privatisierten Polizeistaat und seinem Auftraggeber – in diesem Fall der Universität für Bodenkultur – niedergeschlagen, die gepflanzte Vielfalt vernichtet.
Im Resonanzraum dieser Methoden suchen wir nach anderen, weniger traumatisierenden Wegen und finden sie auch – beispielsweise in Form von “Terre de liens” in Frankreich oder der PAG, der Projektwerkstatt auf Gegenseitigkeit in Deutschland. Angelehnt an diese beiden Modelle haben wir versucht ein für uns passendes zu entwerfen.
Konzept und Ziele von “Cosy”
Drei Hofkollektive haben bisher an der Gründung eines Trägervereins (ideal wäre eine Stiftung, nur diese ist eine Kostenfrage) gearbeitet, bei dem die Eigentumstitel der Höfe liegen werden. Das heißt im Konkreten, dass die Hofkollektive die Höfe im Namen des Trägervereins kaufen, jedoch für die Aufbringung des Kaufpreises selbst verantwortlich sind. Im Grundbuch wird der Trägerverein eingetragen. Dieser gibt die einzelnen Höfe auf der formellen Grundlage einer Nutzungsübereinkunft wiederum an die jeweiligen Nutzungsvereine, die ihre Projektinhalte und Zielvorstellungen eigenständig definieren, aber gemeinsam reflektieren.
Die Ziele des Trägervereins sind folgende:
- Die Trennung von Eigentum und Nutzung, damit ein Hof, der von einem Kollektiv nicht mehr genutzt wird, nicht einfach verkauft werden kann und somit wieder in den Immobilienmarkt zurückgeht, sondern anderen Nutzer_innen/Kollektiven zur Verfügung steht.
- Dauerhaftes Freispielen von Objekten, Land und Produktionsmitteln aus dem Spekulations- und Erbschaftskreislauf.
- Die langfristige zur Verfügungstellung und Schaffung von Infrastruktur wie Höfe, Häuser, Flächen für eine kollektive und emanzipatorische Nutzung.
- Gewährleistung eines Projekte übergreifendenden Netzwerks, das dem Austausch und der gegenseitigen Unterstützung sowie der Beteiligung an überregionalen Entwicklungen dient (u.a. durch einen Beirat von außerordentlichen Mitgliedern, der beratende und mediierende Tätigkeiten übernimmt).
Da die bisherigen gesellschaftlichen Strukturen für Ideen wie diese nicht direkt ausgelegt sind, braucht es natürlich einiges an Kreativität und Zuversicht, um passende Rechtsformen zu finden und den ersten Schritt hin zu anders-kollektiven Prozessen zu wagen. Ein Scheitern ist nicht ausgeschlossen oder tabuisiert, sondern wird von Anfang an mitgedacht und eingebaut, um nicht als hemmender Faktor über Allem zu schweben, sondern als Option und Ausgangspunkt für weiteres Tun begriffen zu werden. Unter Bezugnahme auf das zapatistische Motto “fragend schreiten wir voran” möchten wir weitgehend unerprobte Lebensformen ein Stück weit realisieren.
Perspektive außerfamiliäre Hofübergaben
Auf der einen Seite gibt es also die Menschen die bereit und willens sind Land zu beleben und zu bewirtschaften. Auf der Anderen wandern immer mehr Menschen aus dem ländlichen Gebiet in die Stadt ab. Hört sich ganz gut zusammenpassend an – ist es aber bisher nicht. Aus verschiedenen Gründen. Erstmal läuft seit über 30 Jahren der Prozess der Bodenverteilung unter dem Credo des “Wachsen oder Weichen”. Dies hat viele leerstehende Höfe ohne Grund und Boden zur Folge, die dadurch zur Bewirtschaftung gänzlich ungeeignet sind. Außerdem ist in Österreich, anders als beispielsweise in Frankreich und mittlerweile teilweise auch Deutschland, die Entwicklung zu außerfamiliären Hofübergaben noch nicht sehr weit gediehen und das Vertrauen zu Neueinsteiger_innen meist wohl noch nicht groß genug um die traditionelle intrafamiliäre Erbfolge durchbrechen zu können. Auch wenn dies oft die Verteilung der Grundstücke an die umliegenden Großbäuer_innen und den Verfall der Wohnstätten zur Folge hat. Zusätzlich fehlt es in Österreich an einem Netzwerk, das Hofsuchende und Hofgebende zusammenführt. Die Einen wissen ja nichts von den Anderen. Ein erfolgreiches Beispiel ist hier die Internetplattform “Hofgründer” der Zukunftsstiftung Landwirtschaft in Deutschland. Diese bietet vielfältigste Informationen zum Thema Hofübergabe.
Auf andere Weise hat auch “Terre de liens” diese Lücke zwischen Neueinsteiger_innen und traditionellen Bäuer_innen in vielen Fällen schließen können. Die Höfe mit Grund werden von den ehemaligen Bewirtschafter_innen an die Stiftung von “Terre de liens” übergeben – mittels begleitetem Prozess. Die Höfe werden dann, mit Zustimmung aller Mitglieder (darunter auch die ehemaligen Bewirtschafter_innen), an neue Nutzer_innen verpachtet, die garantieren diese ökologisch und im Sinne der Stiftungsstatuten zu bewirtschaften.
Mit “Cosy” möchten wir nicht bloß auf die oben skizzierte Problematik aufmerksam machen. Wir möchten die bestehenden Lücken ein Stück weit füllen und eben Land-frei-kaufen: Land im Sinne von landwirtschaftlich genutzter Flächen und Immobilien; frei von der kapitalistischen Verwertungslogik und kaufen dann, wenn wir es nicht geschenkt bekommen! Lasst uns die Kluft zwischen Hofübergeber_innen ohne interessierte Erb_innen und Landlosen gemeinsam überbrücken!
Links:
SoliLa! http://17april.blogsport.eu/solila/
Terre de liens http://www.terredeliens.org
Hofgründer www.hofgruender.de
Bodenfreikauf http://bodenfreikauf.wordpress.com/
¹ “Cosy”(collective syndicate) ist der Arbeitstitel des beschriebenen Vereins.
Autor_innen: Gruppe rund um Cosy